Berichte

Gemeinsame Handlungsklausel – die Lizenz zur Enteignung

Die Zeiten werden immer unsicherer, die Zukunft immer ungewisser. Dazu trägt auch der von der Öffentlichkeit kaum beachtete Beschluss einer Klausel im Zuge der Verhandlungen über die Einführung des permanenten Rettungsschirms, des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), bei. Neu ausgegebene Staatsanleihen in der Eurozone mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr, enthalten ab diesem Jahr eine solche Klausel. Und diese Klausel, die Collective Action Clause (CAC) bezeichnet wird, hat es in sich.
Die Collective Action Clause besagt zunächst einmal nur, dass die Vertragsbedingungen einer Anleihe bei Zustimmung von 75 Prozent der Gläubiger neu bestimmt werden können. Der Sinn dieser Klausel ist es, überschuldeten Staaten die Möglichkeit zu geben, die Rückzahlung an die Gläubiger zu verhindern. Vorreiter für dieses Vorgehen war Griechenland. Dort wurden die Gläubiger beim Schuldenschnitt im Frühjahr des vorherigen Jahres dazu gedrängt, auf 53,5 Prozent des ursprünglich investierten Geldes verzichteten. Nun wird diese Regelung für alle Länder des Euro-Raumes verbindlich und der integrierte Gläubigerverzicht kann jeden treffen, wenn die Vertragsbedingung einer Staatsanleihe nach ausreichend großer Zustimmung der Gläubiger dahingehend neu bestimmt werden.
In solche Staatsanleihen wird beispielsweise durch private Renten- und Lebensversicherungen investieren. Wer also selbst keine dieser Anleihen erworben hat, ist somit längst noch nicht auf der sicheren Seite. Denn wer sein Geld in einer dieser Versicherungen angelegt hat, muss damit rechnen, dass er im Alter davon nichts mehr sehen wird, weil es einem Schuldenschnitt zum Opfer viel. Über diesen Umweg sind sehr viele Menschen von der Regelung betroffen, oftmals ohne es zu wissen.[1][2]


Gentrifizierung


Auch wenn viele Menschen noch nicht mitbekommen haben, wie ihre Zukunft verspielt wird, gibt es einige, die durchaus merken, was gerade passiert. Und manch einer von ihnen hat sehr viel Geld, das er natürlich nicht verlieren möchte. Die Investition in Finanzprodukte ist, wie anhand des obigen Beispiels zu sehen ist, oftmals sehr riskant. Deshalb flüchtet so manch einer in Immobilien. Das wiederum hat jedoch gravierende Auswirkungen für andere Menschen, vor allem solche, die ihrerseits lediglich über geringe finanzielle Vermögen verfügen.
Dadurch, dass die Vermögenden bereit sind, viel Geld in Immobilien zu investieren und der Besitz einer Luxuswohnung sicherer ist, als der Besitz eines Wohnblocks mit Sozialwohnungen, bildet sich ein Markt für gehobene Wohnungen. Dieser Wohnraum wird unter anderem geschaffen, indem Investoren dem Trend der Gentrifizierung (von englisch gentry “niederer Adel”)[3] folgen. Dabei werden relativ billige Grundstücke und Immobilien in bislang eher günstigen Stadtteilen aufgekauft und dann grundlegend saniert. Je nach Sanierung und ob es sich um denkmalgeschützte Gebäude handelt, können die Investoren mitunter noch Steuererleichterungen und Zuschüsse abgreifen, was das Geschäft noch lukrativer machen wird. In der Folge entstehen zunächst immer mehr hochpreisige Wohnungen und dann ganze gehobener Stadtteile. Die bisherigen Mieter und Bewohner der ehemals günstigen Wohngegenden werden die dann steigenden Mietpreise nur noch schwer bezahlen können. Dieser Prozess findet in vielen Städten statt, von Hamburg im Norden über Berlin bis Regensburg und München im Süden. Kaum eine reizvolle Stadt ist vor dieser Strukturänderung sicher. Für viele alteingesessene Bürger, die nicht genug Geld haben, bedeutet dies, dass sie aufgrund besonders schnell steigender Miet- und Immobilienpreise schleichend aus ihrem bisherigen Umfeld verdrängt werden.
Wenn die Investoren eine Stadt abgegrast haben und den bislang eher günstigen Lebenstraum für die Menschen zu hochwertigen Spekulationsobjekten für die Wohlhabenden umgewandelt haben, werden sie weiterziehen und sich die nächste Stadt vornehmen.


Literaturverzeichnis:
[1]
Euro-Staaten beschließen Enteignungsklausel; Die Welt; Frank Stocker; http://www.welt.de/finanzen/article112468144/Euro-Staaten-beschliessen-Enteignungsklausel.html; 08.01.2013
[2]
Anleihen mit integriertem Gläubigerverzicht; Die WirtschaftsWoche; Kerstin Dämon; http://www.wiwo.de/finanzen/geldanlage/collective-action-clause-anleihen-mit-integriertem-glaeubigerverzicht/7610422.html; 10.01.2013
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