• Berichte

    Schulden über Schulden

    Wenn sie sich von einer Bank ihres Vertrauens 100 Euro zu einem Zinssatz von 10 Prozent leihen und mit dem Geld nichts weiter machen, als es unter das Kopfkissen zu legen, müssen Sie nach einem Jahr 10 Euro davon an die Bank zurückgeben. Das sind die Zinsen für dieses Jahr. Dann haben sie noch 90 Euro. Nach einem weiteren Jahr sind wieder 10 Euro Zinsen fällig und unter ihrem Kopfkissen liegen noch 80 Euro. Nach zehn Jahren haben sie bereits 100 Euro nur für Zinsen – also das ganze Vermögen unter dem Kopfkissen – an die Bank gezahlt. Sie haben allerdings nach wie vor nicht den eigentlichen Kredit beglichen. Das heißt, sie stehen immer noch mit 100 Euro bei der Bank in der Kreide.
    Merken Sie das Problem? Sie müssen mehr Geld zurückbezahlen, als die Banken Ihnen durch den Kredit zur Verfügung gestellt haben. Nun könnte man zu dem Schluss kommen, dass man das zusätzliche Geld durch Arbeit verdienen und so seine Schulden vollständig begleichen kann. Das Geld fehlt dann allerdings einer anderen Person, die ebenfalls früher oder später ihre Schulden zurückzahlen muss. Das Problem wurde also lediglich verschoben. Auch im Gesamtsystem muss mehr Geld an die Banken zurückgezahlt werden, als sie in Form von Krediten vergeben haben. Dieses zusätzliche Geld kann nur entstehen, wenn weitere Kredite aufgenommen werden.
    Damit Sie also auch weiterhin die Zinsen für die geliehenen 100 Euro begleichen können, müssen Sie erneut Geld leihen. Sagen wir, noch einmal 100 Euro. Dann müssen Sie jedoch schon für 200 Euro Zinsen bezahlen, also 20 Euro pro Jahr. Ihr neuer Kredit ist also schon nach fünf Jahren aufgebraucht und ein weiterer wird fällig.
    Wie lange mag das wohl gutgehen? Denken Sie einmal darüber nach …

    Kapitalismus per Kettenbrief

    Die Konsequenz des Schuldenkapitalismus ist, dass er gefräßig ist. Das liegt am Zins. In jeder neuen Periode müssen die Schulden, aus denen das Geld entstanden ist, zumindest mit Zinsen bedient werden. Sie müssen erwirtschaftet werden. Aber bevor sie erwirtschaftet werden, müssen sie erst in Form von Geld in den Kreislauf gelangen. Wie kommt zusätzliches Geld in den Kreislauf? Richtig, nur durch neue Schulden. Das ist der Kern des Kapitalismus, das macht seine Dynamik aus. Es ist ein System, das auf Optimismus fußt, das zum Wachstum verdammt ist. Unternehmen verschulden sich, um zu investieren, sie schaffen Mehrwert, erzielen Gewinn – aber nur, wenn sich neue Schuldner finden, die ihrerseits wieder das Risiko des Scheiterns auf sich nehmen.[1]

    Quelle: Zeit Online